In meinem Dorf...

…leben so um die 1150 Leute, die meisten wohl Schweizerbürger, weniger Asylanten als Expats und ganz viele Hunde, so an die 400, gemischt durch alle Rassen und Grössen, aber die meisten stets angeleint. Regelmässig und zuverlässig werden alle, ob Hund oder Mensch, gefühlte 300-mal täglich während 18 Stunden mit bis zu 100 dB zugedröhnt, d.h. mit rund >50'000 fernwehgeplagten Bewohnern anderer idyllischer Dörfer überflogen.

Die Wahrscheinlichkeit also, einem Dorfbewohner, oder einer Dorfbewohnerin (und das ist das alleinige Mal, wo in diesem Text gegendert wird) ohne Hund zu begegnen in ländlicher Ruhe, ist reziprok im Verhältnis zur Distanz vom Dorfzentrum stark abnehmend, aber ungleich grösser, dass dies ohne Fluglärm begleitet würde.

Wie auch immer, diese gefühlten 400 Hunde werden also täglich 1-2 mal an der unterschiedlich langen oder kurzen Leine unter dem Lärmteppich gassigeführt – das ist hundeunwürdig, verfügt doch der beste Freund des Menschen über ein 5 mal besseres, also empfindlicheres Gehör – resp. wird von oben um den Faktor 5 überproportional höher lärmbelästigt. Dazu kommt, dass er angeleint vom Tempo, Rhythmus und Befinden seines Herr-/Frauchens in seiner Freiheit eingeschränkt wird und von jeglicher spontanen Nahrungsbeschaffung, Katzen oder anderes Getier, gehindert wird.

Das ist wahrlich ein Hundeleben, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass ihm, dem Hund, der Zugang zur einzig verbleibenden Nahrungsquelle, dem Kühlschrank also, allein über den Menschen, also Herr- und&oder Frauchen geregelt wird.

Allein das stimmt so nicht ganz, ganz oft ist die fortwährende Nahrungszufuhr mittels Goodies aus der Hand der Hundeführer zu beobachten und ganz nach Pawlow reagiert der Hund (auch hier soll einmal gegendert werden), die Hündin, mit stetem Blick nach links oben – also dann, wenn der Hund rechts geführt wird – sonst ist es andersherum, logisch oder.

Begegne ich also so geleinten Hunden auf meinen Gassigängen, seis rund um mein Dorf, aber durchaus auch andernorts, so läuft mein Whippet – wohlgemerkt ein Jagdhund mit ausgeprägtem Katzentrieb – abgeleint in meiner Nähe mit. Werden wir so also von anderen Hunde-Gassigängern entdeckt, passiert immer das Gleiche: gut 50% stellen sich mit ihren Hunden an den Wegrand und nehmen ihre Hunde an die ganz kurze Leine unter panischer Abgabe von einem Goodie nach dem andern – was sich die Hunde gerne gefallen lassen, ausser denen, die endlich mal einem Artgenossen Grüezi sagen möchten, oder aus was für Gründen auch immer glauben ihre kurzleinigen Freiheitsräuber verteidigen zu müssen.

Selten, aber manchmal, kann ich mit nicht beherrschen, und ich frage diese Kurzleiner wieso sie denn ihren Hund nicht ableinen und den beiden das Vergnügen einer hündisch korrekten Begrüssung zuteil lassen wollen. Fast unisono höre ich dann, meist von Frauchen; wenn ich ihn freilasse, dann ist er weg und ich kann rufen solange ich will, er kommt nicht zurück, aber er sei ein Lieber, nur folgen tue er halt nicht so gut. Meinerseits ganz scheu das Wort Hundeschule schreiend – es donnert grad der Mallorca-Express knapp über unsere Köpfe, heisst es meist, doch doch, einmal die Woche. Und was passiert da so, frage ich höflich in das abschwellende Düseninferno; Gehübungen, apportieren, Begegnungen – aber alles immer an der Leine, nie abgeleint und immer darauf bedacht, mit Goodies zu belohnen – überhaupt, belohnen, belohnen, belohnen – an der Leine wohlverstanden.

Da wunderts einen nicht, dass diese Hunde bei der erstbesten Gelegenheit das Weite suchen, die Fifi-Rufe kann er/sie angesichts des fast pausenlos heranrollenden Triebwerk-Heulens geflissentlich gar nicht hören, und überhaupt; ständig zwangsbelohnt vollgestopft mit irgendwelchen Nahrungsindustrieabfall in geleinter Gefangenschaft, ohne Freigang, da ist ja der menschliche, strafrechtliche Freiheitsentzug humaner ausgestaltet.

PS:         Unfrei Fühlende, schenken andern selten vertrauensvoll Freiheit.

PPS:       Da gibt es ein paar Hundetrainer, die leben ganz gut.

PPPS:   Zumindest kacken die Angeleinten in sehbarer Distanz….