Cultweine – ein neuer Laden lockt am Cordulaplatz

Ein sehr gestylter, aufgeräumter Weinladen. Der Verkäufer noch grad am PC, aber schnell zur Seite – er will uns gerne das Konzept von Cultweine erklären. Und so beginnt eine gefühlte Stundenlange Wein-Marketing-Reise mit stark US-amerikanischem Einschlag. Zumindest was das Namedropping anbelangt. Der Herr führt uns durch das kompromisslos eigenetikettenorientierte Sortiment – fast wie einst bei Migros. Zu jedem Wein, jeder Flasche weiss er eine Story zu erzählen. In den Dramen spielen der Winemaker, deren Namen mir Dussel unbekannt sind, das Motiv und die dazugehörende Etikette, die Traube, ja, sogar gelegentlich der involvierte Winzer eine je nach Erzähllust mehr oder weniger wichtige Rolle. Recht interessant und vor allem unterhaltsam – welch Redefluss, der mit zunehmender Dauer etwas bemüht. Die Weine haben bis zu diesem Zeitpunkt, ausser der wortreichen Erwähnung noch nichts zum Geschehen beigetragen. Doch endlich werden wir gefragt, ob wir trotz früher Stunde – hallo, es ist längst 11 Uhr vorbei… - Lust auf die eine oder andere Degustation hätten. Haben wir.

Und so kommen wir in den Genuss des «La vie en Rose», ein katalonischer Rosé aus Merlot und Grenache mit deutlich himbeerigen Noten, regulär im Angebot für 24.50chf(!) die 75cl Flasche. Die Ankündigung ist fulminant, der Wein schmeckt freundlich, so weit so gut.

Und so geht es weiter, die Degu aus dem hightech Weinspender ist eine perfekte Inszenierung und passt zu den Geschichten, erzählt von einem eleganten, sympathischen Hipster mittleren Alters und sizilianischer Herkunft.

Es ist alles so perfekt, nur die verkosteten Weine wollen einfach nie vollends begeistern. Ohne Zweifel, das sind fehlerlose, saubere und gut gemachte Weine, aber bei Weitem nicht so gross wie die dazu erzählte Geschichte, die sich in der Etikette spiegelt.

Wir bestellen – quasi als Obolus zur Verkostung – ein 6er Degu-Pack der aktuellen Cult-Italiener für 195chf statt den regulären 220chf. (10% Rabatt – wow) – jetzt liegen sie im Keller und harren der Verkostung, aber vorher will noch etwas recherchieren, immerhin schreibt der Gesetzgeber ja vor, wer den Wein abgefüllt hat.

Ach ja das pricing: die Hauptkundschaft sei die Gastronomie, sagt der Gianni. Da sie als Produzenten – alle Weine stammen angeblich aus eigener Produktion (?) -- direkt liefern, entfalle der Zwischenhandel und dessen Marge. Somit resultiere für den Wirt ein Faktor von 1:6. Aha, man rechne! Tim Munz von der Heimat in Ehrendingen beispielsweise hat den katalonischen 19er Senglar blanc, Chardonnay/Macabeu, für 8.50/dl im Angebot. Das entspricht einem Flaschenpreis von gerundet 60 Franken. Regulär kostet der Wein im Cultweine-Shop chf 28.50. 

Die Rechnung geht so: Der Kunde trinkt den Wein im Restaurant – die Hauptabnehmer von Cultweine – und denkt oh 60 Franken die Flasche. Er googelt und kommt zwingend auf Cultweine – denn diese Weine gibt es nur dort – nirgends sonst. Jeder Wein ist ein Cultwein mit entsprechender Etikette und nur bei Cultweine erhältlich! Ergo, sieht der Kunde, dass der Wein chf 28.50 kostet. Die Rechnung ist einfach – der Wirt nimmt einen Faktor 3 – das ist normal in der CH-Gastro. Derweil zahlt der Wirt allerdings für diesen Wein natürlich keine 28.50 – sondern, dem Faktor 1:6 entsprechende cirka 10 Franken – das ergibt Faktor 6 und entspricht auch meinem Wertempfinden für diesen Wein, den ich übrigens bei Tim und nicht bei Cultweine degustiert habe.

So weit so gut – der Preis ist nicht wichtig, wenn der Wein schmeckt. Damit er schmeckt ist die dazugehörende Geschichte unabdingbar, das wusste schon Philipp Schwander, der Erfinder des modernen Winetalkings, aber er kämpfte mit offenem Visier – Herkunft und Winzer waren immer offen kommuniziert und erkennbar. Bei Cultweine ist das nicht immer ganz so offen.

Aber es geht ja primär um die Gastro-Marge, die ist wichtig für den Wirt, gleichzeitig ist das Gefühl einen hochwertigen Wein zu trinken für den Weintrinker wichtig, weil aufwertend – beides wird erreicht, das ist genial – ungeachtet der realen Wertigkeit des Produktes.

Die Recherche hat mich unter anderem aber auch geleert, dass da ein 15er Barolo von Giribaldi für 69 Franken angeboten wird, der in einem deutschen Internet-Shop für 19.95€ angeboten wird. Die in Kürze anstehende Verkostung des 15er Barolo wird zeigen was dieser Wein hergibt. (Barolo ist nur sehr schlecht zu verstecken – die Jahre, die Winzer, alles ist sehr transparent – von wegen alle Weine werden von uns produziert….)

Fazit: Hier werden Geschichten erzählt frei nach dem Motto «se non e vero, e ben’trovato» - und dann noch das allgegenwärtige Motto von Cultweine – «just drink the best and fuck the rest». Nur, ob Cultweine die besten sind? Falls nicht, mind the fucked ones!

Superlässig:       Der Auftritt und die Geschichten

Wiederkehren: Vielleicht, wer weiss, mal sehen, erstmal verkosten…..

Berichtigungen seitens Cultweine vom 17. Januar 2024: (Zitat)

Sehr geehrter Herr Gelmi

Ich hoffe Sie sind gut in Italien angekommen, denn hier im Aargau konnte man heute Morgen auf den Strassen Schlittschuh laufen.

Zu ihrem Mail vom letzten Freitag und ihren Bericht über uns in ihrem Blog vom Juli 2023, welchen ich leider erst heute entdeckt habe möchte ich gerne einige Punkte klarstellen:

„Alle Weine seien von uns Produziert - entspricht nicht den Tatsachen!“ Ein Grossteil unserer Weine wird nach unseren Protokollen, und Geschmacksvorstellungen mit den Produzenten und Önologen geplant, gekeltert, ausgearbeitet, gelagert und assembliert. Hierfür verwenden wir ganz klar unsere eigenen Etiketten.

Wer Produkt Besitzter, Abfüller und Importeur der Weine ist, steht auf jeder Rücketikette.

„Wir verwenden beim Pricing Faktor 6 - falsch!!!!“ Der Faktor zwischen dem Gastro- und dem Privatkundenpreis liegt im Durchschnitt bei 1,6 also 1,6fach und nicht „1:6“ wie sie es schreiben!

(Bsp. Gastropreis Fr. 10.- / Privarkunde ca. Fr. 16.-).

„Wir seien Produzenten des Silent - falsch !“ Auch wenn die Rücketikette mit den gesetzlich vorgeschriebenen Angaben auf dem Silent welchen sie von uns erworben haben von der Labelmaschine unterschlagen wurde, steht der Produzent auf dem Zapfen und auf der Kapsel prangt das Familienwappen Giribaldi. Wie sie auch zwischenzeitlich erfahren haben, steht auf der Rücketikette, dass wir Importeur sind.

Der Preis auf Vivino für den 15er Giribaldi liegt bei durchschnittlich 50 € und im Netz zwischen 35 - 70 €.

Discounter Preise findet man in jeder Branche und der “COVID IMPACT“ zwang viele Produzenten und Händler ihre Produkte fast „at any price“ auf den Markt zu schmeissen um zu überleben und Liquid zu bleiben. 

Eigentlich finde ich es sehr schade, dass sie uns ihren Bericht vom Juli 2023 vorenthalten haben.

Fairerweise ist es in der heutigen Zeit eigentlich üblich, Berichte über Unternehmen oder privat Personen, vor Veröffentlichung vorzulegen, um genau solche Missverständnisse oder Missinterpretationen zu vermeiden welche schlussendlich noch ruf-, und geschäftsschädigend für die Betroffenen sein könnten.

Da ich bei ihrem Besuch in Baden nicht dabei war, kann ich nicht beurteilen, was ihnen Gianni in seinem überquellenden Redefluss alles erzählt und wer, was, wie interpretiert hat. Mir bleibt im Nachhinein nur die Möglichkeit die einzelnen Punkte richtig zu stellen.

Ich würde es sehr begrüssen, wenn wir uns mal nach ihrem Urlaub treffen. So hätte ich die Gelegenheit ihnen persönlich unser Geschäft vorzustellen. Wir könnten dann auch zusammen den Barolo degustieren, das mal mit Rücketikette!

Sollte dieser wiederum ungeniessbar sein, hätten Sie schlimmstenfalls noch eine zweite Flasche zum Kochen und selbstverständlich würde ich ihnen den „Silent“ Rückerstatten und wir werden ja wohl einen Wein finden, welcher ihnen mundet.

Was die von uns richtiggestellten Punkte angeht, wäre ich ihnen dankbar, wenn sie diese in ihrem Bericht vom Juli 2023 entsprechend redigieren könnten.